Frühlingspost 2020 | 09.04.2020 – „Es ist eigentlich recht gespenstig, wenn in der Kita keine Kinder sind“, sagt Frau Judith Muschinski, Zentrumsleitung des Kinder- und Familienzentrums Robinsbalje im Bremer Stadtteil Huchting. Normalerweise spielen und toben rund 130 Kinder in der Einrichtung. Seit der Schließung aller Bremer Kitas als Maßnahme gegen die Ausbreitung des Coronavirus, hat sich der Arbeitstag von Frau Muschinski und ihrem Team von einen Tag auf den anderen geändert. Aktuell sind nur wenige Mitarbeiter*innen vor Ort, um Kinder mit Anspruch auf Notdienst zu betreuen. Die meisten Kolleg*innen befindet sich im Homeoffice oder sind als Risikogruppe freigestellt. Im Austausch bleibt das Team dennoch: „Wir sind sehr motiviert. Unsere Pädagoginnen, Köche und Koordinatoren haben viele Ideen entwickelt, um in Kontakt mit den Kindern zu bleiben.“, so die Zentrumsleitung. „Eine davon ist es, jedem Kind einen persönlichen Brief zu schreiben und Lern- und Malmaterial mitzuschicken.“
Von regelmäßigen Telefonaten bis zu Briefen mit Fotostorys und CDs - so wie das Team von Frau Muschinski entwickeln momentan viele Kinder- und Familienzentren von KiTa Bremen unkonventionelle Wege des Kontakthaltens. In der Einrichtung Halmerweg im Stadtteil Gröpelingen verschickt das Team beispielsweise den Frühling ins Kinderzimmer: „Wir haben unseren Kindern ein kleines Päckchen mit Kressesamen geschickt. Sie können die Samen jetzt beim Wachsen beobachten. Es tut gut etwas Grünes auf der Fensterbank zu sehen.“, erklärt Zentrumsleitung Karin Meyer. Die Mitarbeiter*innen des Halmerwegs haben zusätzlich ein Transparent an der Einrichtung befestigt - in der Hoffnung auch weiterhin für ihre Kinder sichtbar zu sein.
Der Austausch mit Familien ist in Zeiten sozialen Abstandes wichtiger denn je. „Wir kriegen momentan viele Anrufe von Eltern, die fragen, was sie mit ihren Kindern machen können. Unsere Briefe dienen ihnen als Unterstützung aber auch als Mutmacher, um Kindern zu signalisieren, wir sind noch da und irgendwann sehen wir und alle wieder.“, berichtet Frau Meyer. Die aktuellen Einschränkungen im Alltag stellen die Geduld vieler Familien auf eine harte Probe – insbesondere in sozialschwachen Stadtteilen. „In Huchtig sieht man keine Seele auf den Straßen. Selbst die Balkone sind leer. Die Familien sind alle mit ihren Kindern drinnen.“, erklärt Frau Muschinski. Das gleiche Bild biete sich auch in Gröpelingen: „Es ist hier ganz schwer den Familien die Angst und die Sorge zu nehmen und ihnen verständlich zu machen, dass sie spazieren gehen dürfen. Da gibt viele sprachliche Barrieren.“, ergänzt Frau Meyer aus dem Halmerweg.
Die Coronakrise wird Spuren in der pädagogischen Arbeit hinterlassen, da sind sich die Zentrumsleitungen einig.Es gehe im ersten Schritt darum, wieder Normalität zu erlernen und die Situation zu verarbeiten, vermuten die pädagogischen Expert*innen. Hier gilt es „Step by Step“ wieder klein anzufangen. Auch die Ernährung spielte eine Rolle. Viele von KiTa Bremens Einrichtungen richten sich darauf ein, in der ersten Woche reichhaltige und ausgewogene Malzeiten anzubieten. Wichtig sei zudem, den Bewegungsapparat der Kinder zu fördern: „Wir bereiten Projekte und Gruppenaktivitäten vor, die draußen stattfinden. Unsere Kinder waren jetzt so lange drinnen. Sie müssen sich möglichst viel in der Natur bewegen.“, berichtet Frau Meyer.
Trotz der aktuellen und bevorstehenden Herausforderungen beobachten KiTa Bremens Einrichtungen in dieser schwierigen Zeit positive Entwicklungen: Viele Eltern lernen, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen und nutzen die Zeit, um gemeinsam zu kochen oder Fahrradfahren zu lernen. Die Krise rufe eine große Kollegialität und Rücksichtnahme hervor: „Auf jeden Fall macht das was mit unserem Team. Es gibt eine andere Form von Vertrauen und Zusammenhalt.“, erklärt Frau Meyer. Laut der Zentrumsleitung der Robinsbalje fördere die Situation auch die Auseinandersetzung mit den Kernaufgaben der Pädagogik: „Es geht um Beziehung und Kontinuität. Ich finde es gut, dass wir aktuell querdenken müssen, um dem gerecht zu werden.“ Das Kinder- und Familienzentrum Halmerweg bringt es abschließend auf den Punkt: „Wir erkennen wie wichtig Kinder sind und wie langweilig es ohne sie ist. Wir vermissen sie schwerstens. So ein Kitabetrieb ohne Kinder - dass macht echt keinen Spaß.“